Bezirksregierung
Arnsberg

FAQ - Hintergrund des Projektes

Häufig gestellte Fragen Hintergrund des Projektes

Nördlich der Ortschaft Erftstadt-Blessem werden seit ungefähr 1970, d.h. seit über 50 Jahren, Sande und Kiese im Tagebau gewonnen.

Betreiber der Kiesgrube waren zunächst die Blatzheimer Sand- und Kieswerke Jakob H.G. Nowot-nik e.K. Im August 2017 gingen die Rechte und Pflichten aus den bestehenden Zulassungen an einen neuen Betreiber über: die Rheinische Baustoffwerke GmbH (RBS).

Der Kiesabbau in Blessem erfolgte zunächst auf Grundlage von abgrabungs- und wasserrechtlichen Genehmigungen der Bezirksregierung Köln, des Kreises Euskirchen und des Erftkreises (heute Rhein-Erft-Kreis). Der sogenannte „Altbereich“ des Tagebaus umfasst neben dem Standort der für den Kiesgruben-Betrieb notwendigen Anlagen auch ein Absetzbecken. 

Im Jahr 1997 hat der heutige Betreiber für die geplante Erweiterung der Abgrabung in nördlicher Richtung, in größerer Entfernung zur Ortschaft Blessem, beim damaligen Landesoberbergamt in Dortmund einen bergrechtlichen Rahmenbetriebsplan vorgelegt, der mit Planfeststellungsbeschluss vom 21. Januar 1998 zugelassen wurde. 

Für die Fortsetzung der Abbautätigkeiten im „Altbereich“ sowie deren Ausweitung im nördlichen Bereich der Kiesgrube wurden anschließend ab dem Jahr 2001 weitere Genehmigungen erteilt: eine Hauptbetriebsplanzulassungen für den Abbau sowie Sonderbetriebsplanzulassungen, die u.a. Vorgaben für den Hochwasserschutz machen.

Die Erweiterung der Kiesgrube unterliegt dem Bundesberggesetz vom 13. August 1980, weil in der Lagerstätte Quarzkiese und -sande anstehen, die den Kriterien des § 3 Abs. 4 Bundesberggesetz (BBergG) entsprechen.

Die behördlichen Vorgaben zum Hochwasserschutz des Tagebaus wurden in den letzten 20 Jahren mehrfach verändert und fortlaufend den sich verändernden lokalen Gegebenheiten angepasst. Dabei war die Hochwasserschutzanlage, die den gesamten Abgrabungsbereich umläuft, stets in einer Weise anzulegen, dass der Schutz auch vor außergewöhnlichen Hochwasserereignissen der Erft gewährleistet ist.

Die extremen Starkregenfälle gelten sowohl aus meteorologischer als auch aus hydrologischer Sicht als außergewöhnliche Ereignisse, wie es sie in Nordrhein-Westfalen so noch nie zuvor gegeben hat. 

Das Ausmaß der Überschwemmungen in einzelnen Bereichen wird von Fachleuten als Hochwas-serereignis eingeschätzt, das statistisch nur einmal in 10.000 Jahren auftritt. Auch im südlichen Einzugsgebiet der Erft kam es infolge der Niederschläge vom 13. bis 15. Juli 2021 zu Wasserabflüssen wie sie statistisch gesehen ebenfalls nur einmal in 10.000 Jahren vorkommen.

Wie medial verbreitete Bild- und Videoaufzeichnungen zeigen, dringt bereits am frühen Vormittag des 15. Juli Wasser am südlichen Rand des Absetzbeckens in den Tagebau ein. Zu diesem Zeitpunkt sind bereits kleinere Rutschungen und Abbrüche der Böschung im Bereich des Hochwasserschutzwalls der Kiesgrube zu erkennen. 

Wie auf Videoaufzeichnungen, die am Tag der Ereignisse gemacht wurden, ebenfalls zu sehen ist, nimmt die Strömungsgeschwindigkeit des eindringenden Wassers durch das in diesem Bereich bestehende Bodengefälle schnell zu. Dabei trägt das Hochwasser den Oberboden Stück für Stück ab – dieses Phänomen bezeichnen Fachleuten als „rückschreitende Erosion“. 

Wichtig ist dabei zu wissen, dass unter dem weggeschwemmten Oberboden im betroffenen Bereich bereits in circa zwei Metern Tiefe eine Schicht aus offenporigen Sanden und Kiesen beginnt, die aufgrund ihrer natürlichen Beschaffenheit den Wassermassen keinen großen Widerstand leisten kann und damit quasi schutzlos dieser rasch zunehmenden, „rückschreitenden Erosion“ ausgesetzt ist. 

Obwohl sich die in Richtung der Ortschaft Blessem „rückschreitende Erosion“ zunächst eher langsam entwickelt haben dürfte, beschleunigten sich die Bodenerosion mit Zunahme der Hochwassermassen, die aus Blessem in Richtung Norden, also in Richtung der Kiesgrube flossen. 

Die Ereignisse gipfelten schließlich im Durchbruch der Erft, was dann letztendlich sehr schnell zur vollständigen Flutung der Kiesgrube und des inzwischen weiter erodierten Geländes zwischen dem Tagebau und der Ortschaft Blessem führte.

Die im Zuge der Überschwemmungen zwischen Kiesgrube und Erftstadt erodierten Flächen umfassen insgesamt rund 8,7 Hektar. 

Der Tagebau ist unterschiedlich tief. Das Absetzbecken, das als erstes aus südlicher Richtung von den Hochwassermassen geflutet wurde, lag mit seiner Oberkante circa 30 Meter unter dem ursprünglichen Geländeniveau der Umgebung. Der nördlich davon gelegene Grubenbereich, in dem Sand und Kies abgebaut wurden, war sogar bis zu circa 60 Meter tief. 

Das Stauvolumen des Tagebaus betrug zum Höchststand am 17.07.2021 etwa 6,7 Mio. Kubikmeter Wasser, Schlamm, Erde und anderes Material. Durch permanente Versickerung in den Untergrund sowie in die Böschungen des Tagebaus sowie weitere Zuflüsse der Erft hat der Tagebau und der Erosionsbereich in den ersten Tagen Wassermassen in einer Größenordnung von insgesamt knapp zehn Millionen Kubikmetern aufgenommen.

Vom Beginn des massiven Wasserzustroms am Vormittag des 15.07.2021 hat es rund 60 Stunden gedauert, bis die Kiesgrube vollständig vom Hochwasser geflutet war. 

Die durch die Bodenerosionen hervorgerufenen Schäden im Bereich der Ortschaft Blessem sind vielfältiger Natur. Sie reichen von beschädigten und zerstörten Fahrzeugen über beschädigte, teilweise eingestürzte bis hin zu völlig zerstörten Gebäuden, von denen einige durch die Unterspülung von Grundstücken mit Verzögerung einstürzten. Außerdem wurde eine Reihe von Straßen sowie Teile der Kanalisation von Blessem zerstört. 

Auch am Ufer der Erft kam es durch den Durchbruch des Flusses zu starken Erosionen. Große Mengen an Böden wurden Richtung Tagebau geschwemmt, wo zudem rund ein Drittel der eigentlich zum Schutz vor Hochwasser dienenden Südböschung weggespült wurde. Außerdem wurden die Anlagen und Infrastruktur des Tagebaus Blessem selbst stark beschädigt und teilweise zerstört.